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Neuigkeiten aus der VLG-Welt


Obenauer und VLG Großverbraucherdienst Südwest ab 1954

Werner Hempel: Meine Zeit bei Obenauer

Als ich 1954 nach einem zweijährigen Volontariat im Lebensmittelgroßhandel, im Kaffeeimport in Le Havre und in der späteren Deutschen Bank bei Obenauer eintrat, lagen schwierige Jahre hinter dem Handelsunternehmen: Zwei Evakuierungen und die Bombardierung, die das Betriebsgebäude in der Hohenzollernstraße in Schutt und
Asche gelegt hatte, waren zu überwinden. Alleiniger Geschäftsführer war zu dieser Zeit mein Schwiegervater, Dr. Erich Schmidt-Obenauer. Der Betrieb ging 1945 in provisorischen Räumen weiter, bis man 1949 in neue Geschäftsräume in der Straße des 13. Januar umzog, wo sich noch heute der  Firmensitz der Obenauer-Gruppe befindet.

Start im Zeichen der Erneuerung

Auch wenn sich zu Beginn meiner Geschäftstätigkeit bereits eine deutliche Aufwärtsentwicklung abzeichnete, waren die Arbeitsmethoden, die damals im gesamten Großhandel üblich waren, immer noch die gleichen wie vor dem Krieg. Aufträge wurden von Handelsreisenden, die meist zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs waren, akquiriert, da es nur einen Außendienstmitarbeiter mit einem Auto gab.

Erst später wurden die ersten R4-PKW angeschafft, die legendären »Cremeschnittchen«, womit sich der Aktionsradius unserer Vertreter erheblich erweiterte. Auch die Auftragsbücher wurden anfangs noch von Hand, d.h. recht umständlich und häufig unleserlich geführt: So wurden die Aufträge zur Bereitstellung der Waren durch Etiketten und Anbruchlisten ans Lager gegeben. Nach der Zusammenstellung der Waren und der Besorgung fehlender Artikel bei befreundeten Unternehmen gingen die Rechnungsdaten – höchst zeitaufwändig – zur handschriftlichen Ausrechnung. Diese wurde von zwei unabhängigen Personen ausgeführt und erst bei Übereinstimmung ins Lager zur Tourenplanung und Auslieferung der Waren gegeben. Die
Vorgänge vereinfachten sich grundlegend, als wir 1957/58 die erste  Datenverarbeitung – damals noch mit IBM-Lochkarten – im saarländischen Großhandel eingeführt  haben. Dies ermöglichte uns nach der Rückgliederung des Saarlandes 1959 den Wechsel ohne größere Probleme zur DM-Fakturierung.

Wie die Auftragsabwicklung bedurfte die Lagerhaltung einer Neuorganisation. Zu viel musste auf drei Etagen von Hand eingelagert und handverladen auf den Transportweg gebracht werden. Im Zuge der Lagererweiterung von 1962 wurde ein Hochregallager angebaut und die Lagerorganisation auf Gabelstapler und Paletten umgestellt.

Bis zum Jahr 2005 wurde durch Zukäufe die Grundstücksfläche von damals 4.800 qm auf  15.000 qm vergrößert und die Lagerfläche von damals 1770 qm auf rund 10.000 qm erweitert. Davon waren allein rund 1.600 qm Tiefkühllager.

Aufbau des Kaffeegeschäfts »Obenauer Kaffee«

Mitte des Jahres 1954 erhielten wir eine Einfuhrlizenz für eine Röstanlage und begannen damit wieder, erstmals nach den Zerstörungen von 1944, unseren Kaffee
selbst zu rösten. Die Marke »Obenauer Kaffee« wurde völlig neu gestaltet und war von da an einer unserer Schwerpunkte in der Weiterentwicklung des Unternehmens.

Die einzelnen Rohkaffeesorten wurden fortan getrennt geröstet und anschließend gemischt – ein aufwändiges,aber für die Qualität der Mischung entscheidendes Verfahren, welches wenige andere Kaffeefirmen
praktizierten. An Verlesetischen wurden alle Sorten von Hand verlesen und Stinker und helle Bohnen entfernt. Die erzielte Qualität, der Erfolg unserer Werbeaufwendungen und der steigende Umsatz
gaben uns Recht. Schon im Jahr 1955 stieg der Anteil des Kaffee-Geschäftes auf rund 20 % des damaligen Gesamtumsatzes. Bis 1961 kletterte der Anteil weiter auf stolze 28 %.

50er-Jahre: Der saarländische Lebensmittelhandel organisiert sich

Dort, wo heute in der Saarbrücker Mainzer Straße die Verbrauchermärkte von REWE und Norma liegen, hatte die EDEKA-Zentrale ihren Sitz. Sie wechselte in den 60er- Jahren nach St. Ingbert. Konzipiert als Genossenschaft selbstständiger Einzelhändler fungierte die EDEKA
als Großhandel. Die wesentlichen privaten Großhandlungen
hatten sich 1953 zur INGRO, der Interessensgemeinschaft
des Großhandels, zusammengeschlossen. Mitglieder waren Unternehmen aus
Saarbrücken, St. Wendel, Saarlouis, Völklingen und Homburg, darunter auch wir, die Obenauer GmbH,sowie die Firma Gebr. Wildberger aus Saarbrücken und die Franz Bruch GmbH aus St. Wendel. Ab 1957 schlossen sich die saarländischen Großhändler an die in den frühen 50er-Jahren entstandenen Handelsketten an, deren Kennzeichen Rückvergütungssysteme vom Großhandel an den Einzelhandel, gemeinsame Werbung und die Kennzeichnung der Lebensmittelgeschäfte mit einem gemeinsamen Label waren. Im Saarland formierten sich folgende Ketten:

· die A & O, hinter der die Unternehmen Obenauer und Spies standen,
· die CENTRA, die durch die Firma Gebr. Wildberger vertreten wurde,
· die SPAR, von den Firmen Flasche und Jakobs,
· der FACHRING, ein Zusammenschluss der Firmen Bruch und Schwarz & Zinke sowie
· die VIVO, die Kette der Firma Spanier.

Ich selbst hatte mich in dieser Zeit stärker in den Vertrieb eingeschaltet. Meine Hauptaufgabe bestand ab Mitte 1957 darin, die direkte Zusammenarbeit mit Einzelhändlern im Rahmen der A&O-Organisation auszubauen.
Da zu diesem Zeitpunkt fast alle saarländischen Großhändler mit dieser Kettenbildung begannen, war einiges an Überzeugungsarbeit vor Ort notwendig, um möglichst viele Einzelhändler über Verträge für die eigene Kette zu gewinnen oder schon abgesprungene Kunden ins eigene Lager zurückzuholen.

1959–1963: Die Rückgliederung erfordert einen weiteren Kraftakt

Die Nachwirkungen der Rückgliederung des Saarlandes als jüngstes deutsches Bundesland waren enorm: Die Belieferung der Kunden im benachbarten Lothringen wurde von einem Tag auf den anderen eingestellt. Viele französische Artikel waren nicht mehr verkäuflich, da die bundesdeutschen Lieferanten mit eigenen Sortimenten in den Einzelhandel drängten und ihre Produkte im Großhandel gelistet sehen wollten.
Auch beim Kaffee gab es Einbußen, weil Direktlieferanten auf den Markt drängten.
Versuche der Obenauer GmbH, erste eigene Filialen im Lebensmitteleinzelhandel aufzubauen, scheiterten an der
zu geringen Zahl der Filialen, die eine effiziente Filialführung und -kontrolle unmöglich machten.

1963: Gründung der VLG Saar Vereinigte Lebensmittelgroßhandlung Saar GmbH

Ende der 50er-/Anfang der 60er-Jahre entstanden in Deutschland eine Vielzahl von C+C-Märkten, ein Verkaufssystem, welches in Amerika schon
einige Jahre praktiziert wurde: Selbstbedienungs- Großmärkte für gewerbliche Kunden. Marktführer war sehr schnell die Firma METRO. Zusammen mit der Firma Gebr. Wildberger eröffneten wir im Untergeschoß
dieses Unternehmens – heute befindet sich hier Möbel Martin – einen solchen Betrieb, allerdings im Gegensatz zu anderen C+C-Betrieben
ohne große Non-Food-Sortimente.

1974 wurde der C+C-Betrieb unter dem Namen »c-gro« durch die Übernahme der Firma Fermetsa gegenüber unserer Firma in die Straße des 13. Januar verlegt, wo er heute noch nach mehrfachen Erweiterungen sehr erfolgreich besteht. Im Sortiment wurden die Metzgerei-Abteilung und der Obst und Gemüsebereich wesentlich erweitert, 1987 durch Übernahme der Firma Cremona eine Frischfisch- und Feinkostabteilung eröffnet und ab 1988 durch die Firma Piemonte der Weinbereich zu einem Schwerpunkt im Sortiment ausgebaut.

1992 eröffneten wir in Trier mit gleicher Sortimentsstruktur
einen C+C-Markt ebenfalls unter dem Namen c-gro, der sich auch heute noch erfolgreich behauptet.

1968: Zusammenschluss der Großhandelsaktivitäten der Firmen Obenauer und Wildberger

Im Rahmen der VLG Saar begann eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Firma Gebr. Wildberger, die 1968 mit der Einbringung aller Großhandelsaktivitäten beider Unternehmen in die gemeinsame Firma ihren Abschluss fand.

Obenauer hatte damit kein eigenes aktives Geschäft mehr, sondern betätigte sich ausschließlich durch Beteiligungen an Firmen. Dies waren 1968 die VLG Saar als Handelsfirma sowie die Firmen Blechwarenfabrik Limburg und das Badische Blechpackungswerk in Karlsruhe als Produktionsfirmen.

So schwierig sich die innerbetriebliche Zusammenarbeit mit der Firma Gebr. Wildberger anfangs gestaltete, so gut entwickelte sie sich mit den Jahren: Unterschiedliche Unternehmenskulturen mussten in Einklang gebracht werden, EDV, Vertrieb und Logistik erst einmal zusammenwachsen.
Im Vertrieb wurden die beidseitigen Aktivitäten in der A & O- /CENTRA-Verkaufsgemeinschaft zur Betreuung des Einzelhandels zusammengeführt.
Ab 1967 hatte Obenauer bereits die Belieferung aller A & O-Kunden im Saarland übernommen, nachdem das Partnerunternehmen Spies aus Saarlouis seine Tätigkeit eingestellt hatte.

Die für den Handel schwierigen 70er-Jahre

Ab Mitte der 60er-Jahre bis hin in die 80er-Jahre fand eine fast revolutionäre Umstrukturierung des Lebensmittelhandels statt. Die Mindest-Verkaufsflächen für ein Lebensmittelgeschäft stiegen auf über 500 qm, die Brüder Albrecht gründeten mit ALDI den ersten klassischen Discounter und die ersten Verbrauchermärkte mit 3.000 bis über 10.000 qm Verkaufsfläche wurden gebaut. Kleine Lebensmitteleinzelhändler verschwanden in diesen Jahren fast vollständig. Ein Versuch, alle privaten Lebensmittelgroßhandlungen im Saarland zu einem Unternehmen zu fusionieren, an dem der renommierte Saarbrücker Professor Bruno Tietz aktiv beteiligt war, scheiterte an zu unterschiedlichen Vorstellungen der beteiligten Firmen.

Der private, saarländische Lebensmittelgroßhandel konzentrierte sich in der Folge auf zwei Firmen: Eine davon war die Distributa. Sie war aus der Firma Spanier in Saarlouis hervorgegangen, die nach verschiedenen Firmen in früheren Jahren Anfang der 70er-Jahre auch die Firma Schwarz & Zinke, Völklingen, übernahm.
Auf einem Grundstück der Firma H. Lambert in Saarbrücken, die ihren eigenen Großhandel eingestellt hatte, eröffnete die Distributa unter dem Namen HELA einen großen Verbrauchermarkt.

Das zweite saarländische Großhandelsunternehmen führten wir. Dazu hatten wir diesen Bereich von der befreundeten Firma Bruch aus St. Wendel übernommen, da man sich dort auf den weiteren Aufbau der GLOBUS-Märkte konzentrierte, der mit großem Erfolg verbunden war. Die SPAR-Firmen Flasche und Jakobs wurden von der Spar in Ellhofen bei Heilbronn übernommen.

Das Geschäft mit dem Lebensmittel-Einzelhandel wurde immer schwieriger, da immer mehr Einzelhändler in diesem Bereich aufgaben.

Meine Versuche, in irgendeiner Form in das Verbrauchermarktgeschäft einzusteigen, scheiterten leider.

Ab 1978 eröffneten wir mehrere Nachbarschaftsmärkte unter dem Namen ALPHA. Diese Märkte mit einer Verkaufsfläche zwischen 1.000 und
2.000 qm sind heute noch erfolgreich am Markt tätig. Die Anzahl von zuletzt fünf Alpha Märkten war allerdings zu klein, um erfolgreich bestehen zu können. Die Märkte wurden 1983 an die REWE Südwest e.G., die heutige Wasgau AG, abgegeben.

Ende der 70er-Jahre zeichnete sich ab, dass die Belieferung von Lebensmittel-Einzelhändlern nicht mehr kostendeckend durchgeführt werden konnte.

1980 wurde deshalb dieser Bereich an die EDEKA Saar abgegeben.

VLG Großverbraucherdienst Südwest – Großhandel weiter erfolgreich

Nach dem Verkauf der ALPHA Märkte gestalteten wir die Zukunft der VLG durch den weiteren Ausbau des C+C-Bereiches sowie insbesondere durch
den systematischen Aufbau des seit den 70er Jahren bestehenden Bereiches des Großhandels mit Großküchen und Gastronomie. Diese Aktivitäten wurden anfangs unter dem Namen »Inter Service« geführt, ein Verbund mehrerer deutscher Großhandlungen, der allerdings keine gemeinsamen Aktivitäten praktizierte. Anfang der 90er-Jahre begann
eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit mit  »Intergast«, eine auch wirtschaftlich kooperierende  Organisation innerhalb der »Markant« als Nachfolger der früheren »A & O«.

Nach der Übernahme der Distributa durch die REWE im Jahre 2011 besteht die VLG heute als letzte private Lebensmittelgroßhandlung mit Vollsortiment im Saarland weiter, nachdem alle anderen Großhandlungen, die bei Beginn meiner Tätigkeit 1954 vorhanden waren, vom Markt verschwunden sind.

Gestaltung der Gesellschaftsstruktur der Firmen der Gruppe Obenauer zum Familien-Konzern

Die VLG wurde in den 70er-Jahren zur 100-prozentigen Tochter der Obenauer GmbH. 1973 verstarb Horst Wildberger. In der Folge verkauften die Gesellschafter der Firma Gebr. Wildberger ihre Anteile an der VLG Saar, da kein Familienmitglied mehr aktiv in der Firma tätig war.

1976 veräußerten die Gesellschafter Friedrich Obenauer Erben –
Friedrich (Fritz) Obenauer war Neffe des Gründers Friedrich Obenauer und jahrzehntelanger Geschäftsführer neben Gustav Obenauer bzw. Dr. Schmidt-Obenauer – ihre sämtlichen Anteile an der Firma Obenauer an die Familie Schmidt-Obenauer/Hempel, so dass die gesamten Anteile hier zusammengefasst waren.

1982 wurden die privat gehaltenen Anteile der Gesellschafter der Firma Obenauer an der Blechwarenfabrik Limburg – das Badische Blechpackungswerk war schon früher von Limburg übernommen worden – auf Obenauer übertragen. Bis 1986 erwarb die Familie auch die Anteile der
anderen Gesellschafter des Unternehmens. Die Blechwarenfabrik Limburg hatte sich bis dahin sehr gut im Markt positioniert: durch ihre hohen Qualitätsstandards, besondere Flexibilität und die innovative Weiterentwicklung der Produktion. Sie wurde aufgrund der Zuverlässigkeit ihrer Lieferungen von den Kunden sehr geschätzt. Die Blechwarenfabrik Limburg gehörte nicht zu den großen Firmen der Branche, von denen einige durch die auch hier stattfindende Veränderung des Marktes größere Schwierigkeiten hatten. So konnte das Unternehmen aufgrund seiner größeren Beweglichkeit und besonderen Finanzstärke besser reagieren.
Mittlerweile ist es zu einem der bedeutenden Hersteller
von Weißblech- und Kunststoffverpackungen hauptsächlich für chemisch-technische Füllgüter geworden.
Mit Niederlassungen in Neustadt (Wied), in Tver bei Moskau (seit 2007), in Skabimierz Osiedle in Polen (seit 2010) und darüber hinaus in einem Netzwerk von Verpackungsherstellern werden Kunden in ganz Europa beliefert.

Infolge der Zusammenfassung der Gesellschaftsanteile sind heute alle Firmen durch Organschaftsverträge verbunden und betätigen sich als kleiner Familienkonzern am  Markt.

Ab 1992 hat mein Sohn Thomas mit sehr großem Erfolg die Federführung im Tagesgeschäft übernommen. Ich unterstütze ihn weiter mit Rat und Tat.

Das Unternehmen hat seither sowohl im Handelsbereich als auch in der Produktion eine sehr gute Entwicklung genommen und ist im 150. Jahr seines Bestehens hervorragend positioniert.

 

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